Kann man immer glücklich sein?

Glück oder toxische Positivität?

Überall wird man heutzutage mit Happiness überflutet: Happiness ist Essen & Trinken, Cola und Pizza, Body-Workout und Body-Lotion. Alles verspricht Glück.

Glücklichsein ist eine gesellschaftliche Erwartungshaltung geworden und alles Negative ist unerwünscht. So ist auch das gesellschaftliche Tabu einzuordnen, das auf psychischen Erkrankungen oder anderen schwierigen Themen ruht.

Ich finde es schade, dass dadurch so ein wichtiges Thema wie Glück ad absurdum geführt wird. Es geht zwar beim Glücklichsein darum, grundsätzlich eine positive Haltung dem Leben gegenüber einzunehmen, das bedeutet aber nicht, dass man alles Negative ignorieren bzw. verdrängen sollte.

Dem zugrunde liegen 2 Missverständnisse über Glück:

  1. Glück ist dasselbe wie Spaß haben und Genuss (Hedonismus).
  2. Glück ist die Abwesenheit von negativen Emotionen oder schwierigen Situationen.

Im Gegenteil, es spielen besonders Themen wie Resilienz, Wachstum durch Krisensituationen oder der Umgang mit schwierigen Gefühlen, eine wichtige Rolle für ein glückliches und erfülltes Leben.

Eine Haltung, die die Existenz negativer Phänomene negiert, nennt man „toxische Positivität“ und führt zur Suche nach einem illusorischen Glück.

Nach Dan Tomasulo handelt es sich bei der toxischen Positivität um Abwehrmechanismen. Zunächst werden zwar Schmerz und Traumata abgemildert, es verhindert aber die ehrliche Auseinandersetzung mit sich selbst und schwächt so langfristig gesehen das Wohlbefinden. Umso wichtiger ist es, toxische Positivität zu identifizieren. Helfen können dabei folgende Signale:

  • Tabuisierung negativer Emotionen
  • Vermeidung von Konflikten und herausfordernden Gesprächen
  • Positives Denken, auch in den widrigsten Umständen

2 Tipps zur Balance zwischen Glück und der Integration negativer Gefühle

1. Akzeptanz negativer Aspekte

Der Ansatz, negativen Gefühlen, Situationen oder Lebenslagen erst einmal neutral zu begegnen, hat seine Wurzeln im Achtsamkeitstraining. Dabei geht es um eine urteilsfreie Wahrnehmung der Dinge, so wie sie sind. Wenn man auf Wertungen wie „gut“ oder „schlecht“ verzichtet, löst man den gesellschaftlichen Druck und schafft Raum für Emotionen wie Verzweiflung, Wut oder Trauer.

Achtsamkeit hilft, mit Schmerzen zu arbeiten: Da ist der primäre Schmerz, aber dann kommen die Gedanken, die alles negativ bewerten: „Was bin ich für ein Idiot, warum geht es mir so schlecht?“ und so weiter… Dies ist der sekundäre Schmerz, der tatsächlich größer ist als der primäre Schmerz.

2. „Feel it to heal it“ 

Damit ist die aktive Zuwendung hin zu den schwierigen Momenten des Lebens gemeint. Der Umgang mit Problemen gelingt meistens dann, wenn wir auch schwierige Situationen anerkennen und würdigen. Wenn man sich erlaubt, sich auf diese unangenehmen Gefühle einzulassen, ist das eine Chance für Wachstum und Transformation, auch wenn der Weg zu einem positiven Ausgang schwierig ist.

Umgekehrt verstärkt das wiederholte Unterdrücken negativer Emotionen deren Intensität, wie Lea Campbell-Sills bereits 2006 in einer Studie zeigen konnte.


Durch Coaching oder Therapie kann man lernen, mit negativen Emotionen umzugehen und toxischer Positivität entgegenzutreten. Denn zu einem erfüllten Leben gehört die Integration sogenannter negativer Aspekte. Sich mit der dunklen Seite des Lebens auseinanderzusetzen ist eine Herausforderung, aber für ein dauerhaft glückliches und erfülltes Leben letztendlich unvermeidlich.

Quellen:

Tomasulo, D. (2024, 12. März). The Mask of Denial: Toxic Positivity and Spiritual Bypassing

Campbell‐Sills, L., Barlow, D. H., Brown, T. A. & Hofmann, S. (2006). Acceptability and suppression of negative emotion in anxiety and mood disorders.


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